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Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag Gleichstellungsabrede kontra dynamische Verweisung auf Tarifvertrag

Gleichstellungsabrede kontra dynamische Verweisung auf Tarifvertrag: Auch heute noch gibt es viele Bereiche, in denen kein Tarifvertrag gilt. Daneben gibt es Bereiche, in denen es zwar Tarifverträge gibt, diese jedoch nicht allgemeinverbindlich sind. Unproblematisch sind die Bereiche, in welchen allgemeinverbindliche Tarifverträge Anwendung finden. Im Folgenden soll ein nicht mehr ganz aktueller Fall des Bundesarbeitsgerichtes besprochen werden, welcher jedoch immer wieder aktuell wird. Es geht um Verweisungsklauseln auf Tarifverträge in Arbeitsverträgen. Insbesondere um Arbeitsverträge, welche vor der Schuldrechtsreform Jahre 2002 geschlossen worden sind. Betroffen sind also langjährige Arbeitnehmer.

Es gibt die sogenannte statische Verweisungsklausel und dynamische Verweisungsklauseln. Bei den dynamischen Verweisungsklauseln wird unterschieden zwischen großen und kleinen dynamischen Verweisungsklauseln.

Die statische Verweisungsklausel

Die statische Verweisungsklausel verweist jeweils auf einen konkreten Tarifvertrag in einer konkreten Fassung. Auch bei Änderung der zugrunde liegenden Tarifverträge werden die Regelungen nicht angepasst.

Die dynamische Verweisungsklausel

Diese Verweisungsklausel erstreckt die Anwendung auf die Änderung der jeweilig vereinbarten Tarifverträge für die Zukunft. Die kleine dynamische Verweisungsklausel nimmt Bezug auf nur einen bestimmten Tarifvertrag oder einen Teil dieses Tarifvertrages. Die große dynamische Verweisungsklausel verweist auf alle im Sachzusammenhang stehenden Tarifverträge.

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 21.10.2015

Im Jahre 2015 ( BAG, Urteil v. 21.10.2015 - 4 AZR 649/14 ) musste das Bundesarbeitsgericht über folgenden Sachverhalt entscheiden:

Der Arbeitnehmer war seit 1997 in einem Möbelhaus als Tischler beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag war vereinbart, dass die Tarifverträge für den Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträgen Bestandteile des Arbeitsvertrages sein sollten. Im Nachgang zu diesem Arbeitsvertrag wurden mehrere Änderungen vorgenommen, die keinen Bezug zu den Tarifverträgen hatten und bei welchen jeweils vereinbart wurde, dass alle anderen Regelungen aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag fortgelten sollten.

Der Arbeitgeber war Mitglied im Arbeitgeberverband, als der Arbeitsvertrag ursprünglich abgeschlossen wurde. Später änderte er seine Mitgliedschaft in eine solche, welche die Anwendung der Tarifverträge ausschließt. Sodann war der Arbeitgeber der Auffassung, dass er Tariferhöhungen an seine Arbeitnehmer nicht mehr weitergeben müsste.

Dem Arbeitnehmer gefiel dies nicht und er nahm den Arbeitgeber auf Zahlung der Differenz zum tarifgebunden Gehalt in Anspruch. Erst im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht konnte der Fall geklärt werden.

Gleichstellungabrede

Bis zum Jahre 2005 war das Bundesarbeitsgericht der Auffassung, dass in Bezug genommenen Tarifverträge solange dynamisch Anwendung finden, wie der Arbeitgeber tarifgebunden ist. D. h. es wurde von einer sogenannten Gleichstellungsabrede ausgegangen und die Arbeitnehmer, welche aufgrund der Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband tarifgebunden waren, wurden denen, welche vertragliche Verweisungsklausel hatten, gleichgestellt. Die Verweisungsklausel war somit dynamisch und es galt immer die aktuell geltende Fassung des Tarifvertrages.

Für Verträge, die vorher geschlossen wurden, galt dies jedoch nicht. Dies hätte zur Konsequenz gehabt, dass im vorliegenden Fall lediglich eine statische Verweisungsklausel vorgelegen hätte.

Die Ausnahme von der Regel

Nun war es jedoch im hier diskutierten Fall so, dass nach 2002 Änderungen im Arbeitsvertrag vorgenommen wurden. Und damit die Ausnahme von der Regel vorlag. Es wurden jeweils Vereinbarungen getroffen, nach denen mit dem Tarifvertrag nicht in Zusammenhang stehende Klauseln geändert wurden. Alle anderen Vertragsbestandteile, insbesondere die Verweisungsklausel, sollte jedoch Bestand haben.

Das Bundesarbeitsgericht war der Auffassung, dass durch diese Vertragsänderungen aus dem Altvertrag (vor 2002) ein Neuvertrag wurde. Somit musste die Verweisungsklausel nicht mehr nur statisch, sondern dynamisch angewandt werden. Mit seinem Urteil aus dem Jahre 2015 (BAG, Urteil v. 21.10.2015 - 4 AZR 649/14) änderte das Bundesarbeitsgericht nicht seine Rechtsprechung, sondern befasste sich mit einem Sonderfall.

Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Das Urteil zeigt jedoch, dass in jedem Fall individuell geprüft werden muss, wie weit die Geltung einer Verweisungsklausel und die daraus folgenden Konsequenzen gehen. Bei Altverträgen unter dynamischer Verweisung auf Tarifverträge ist immer genau darauf zu achten, ob gegebenenfalls ein Neuvertrag entsteht. Für den Arbeitgeber entstehen hieraus schnell unüberschaubare finanzielle Risiken. Im Gegenzug entstehen für den Arbeitnehmer erhebliche Chancen auf eine höhere Vergütung oder andere tarifvertragliche Erleichterungen.

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Beitrag veröffentlicht am
19. Februar 2021

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