OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 8.3.2021-6 UF 3/21 Streit über Impfentscheidung
Ist immer ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen?
In einem sorgerechtlichen Verfahren war im Rahmen einer Entscheidung nach § 1628 BGB die Frage der Impffähigkeit eines Kindes aufgeworfen worden. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte sich in 2. Instanz mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im Regelfall ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen ist oder ob die Überprüfung der nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und der Schutzimpfungs-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses vom Arzt zu überprüfenden Kontraindikationen bei dem betreffenden Kind zur Prüfung der Impffähigkeit ausreicht. Grundlage war ein Fall, in dem die Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausübten und es um die Durchführung einer Standardschutzimpfung für das betroffene Kind ging. Die Mutter beantragte in diesem Zusammenhang die Alleinentscheidungsbefugnis zur Durchführung der Schutzimpfung. Sie berief sich auf die Hinweise der ständigen Impfkommission, die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses über Schutzimpfungen nach SGB V und die allgemeinen Herstellerrichtlinien. Der Vater war der Auffassung, dass vor der gerichtlichen Entscheidung wegen des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und der allgemein mit Impfungen gebundenen Risiken ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsste.
Übereinstimmende Entscheidung des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts
Das Amtsgericht hat dem Begehren der Kindesmutter stattgegeben und das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Dabei hat das Oberlandesgericht durchaus die Frage erwogen, ob nicht das gemeinsame Sorgerecht auch die Frage der Entscheidung über eine Schutzimpfung erfasst. Bei Schutzimpfungen geht das Oberlandesgericht allerdings davon aus, dass die Eigenart der Angelegenheit nach dem Gesichtspunkt zu beurteilen sei, welcher Elternteil das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgte. Das Gericht stellt in seiner Entscheidung dabei darauf ab, dass davon auszugehen sei, dass ein Verhalten, welches sich an den Empfehlungen der ständigen Impfkommission und der jeweiligen Fachinformationen ausrichtet, grundsätzlich als dem Kindeswohl entsprechend anzusehen sei und auch im Rahmen der Empfehlungen der ständigen Impfkommission und des gemeinsamen Bundesausschusses besondere Risiken und Risikogruppen Berücksichtigung fänden, sodass in diesem Fall auch kein gesondertes Sachverständigengutachten wegen der möglichen Risiken eingeholt worden ist.
Fazit
Bei Streit der Eltern bzw. Sorgeberechtigten kann daher derjenige Sorgeberechtigte, der die Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) und des gemeinsamen Bundesausschusses für sich reklamieren kann, auf Erfolgsaussichten setzen.